Interview zum 90. Geburtstag von Hilde Dierker

Rolf Majewski (26.09.2005)

Frau Hilde Dierker ist seit 77 Jahren im TSV Schöppenstedt aktiv und mit jetzt 90 Jahren auch das älteste Mitglied. Da sie auch heute noch in diesem gesegneten Alter mit Spaß und Freunde beim Seniorenturnen mitmacht, verdienen ihre Leistungen unseren Respekt und Anerkennung. Aus diesem Anlass hat der Vorsitzende des TSV Schöppenstedt, Rolf Majewski, folgendes Interview mit der Jubilarin geführt.

TSV: Frau Dierker, Sie sind ja nun schon solange dabei, wie hat das alles eigentlich mal angefangen?

Dierker: Angefangen habe ich damals beim MTV Schöppenstedt, der nur aus drei Abteilungen, Fußball, Turnen und Leichtathletik bestand. Es war ein Zusammenschluss aus dem SSV, den Freien Turnern und dem Männer Turnverein. Besonders angesprochen hat mich das Weihnachtsvergnügen mit Blaskapelle im Zolln, wo an Weihnachten und zu Ostern kräftig gefeiert und geturnt wurde. Wilhelm Herbst, ein kleiner drahtiger Typ und sehr guter Geräteturner, organisierte alles und zeigte zudem noch am Reck seine Künste. Wir hatten schon früher viele gute Turner am Pferd, Barren und Reck, sowie an den Ringen und beim Bodenturnen. Das ging aber leider alles nur bis zum Krieg.

TSV: Und wie waren Ihre persönlichen Erfahrungen im Verein?

Dierker: Och, da war ich gut dabei! 1938 machte ich mein erstes Sportabzeichen in Bronze, was damals noch Reichssportabzeichen hieß. 1985 habe ich dann mein elftes und letztes Sportabzeichen, jetzt aber in Gold, gemacht. Man musste 200m schwimmen, Weit- Hoch- und Standweitsprung machen, 50m bis 1 km weit laufen, Schleuderball und Kugelstoßen war auch dabei, als Ersatz zum Schwimmen konnte man, glaube ich, aber auch Gehen, Radfahren oder Skilanglauf machen. Aber wir hatten insgesamt eine schöne Zeit. Wir machten sonntags Ausflüge bis nach Kneitlingen, sind im Elm gewandert und fuhren bis in die Heide. Dort bin ich auf der falschen Seite aus dem Zug gestiegen und einem Imkermeister in die Hände gefallen. Der nahm mich mit und heiratete mich dann später. Noch heute hängt ein Bild von der letzten Fahrt der guten alten „Bümmel-Ludchen“ im Korridor an der Wand.

TSV: Das hört sich ja alles ganz spannend an. Sie kriegen ja richtig leuchtende Augen. Was haben Sie denn sonst noch so gemacht?

Dierker: Ja, wir hatten wirklich eine tolle Zeit! Vor ca. 50 Jahren haben wir noch einen Gesangsverein gegründet, die Liedertafel Concordia und seit 1970 spiele ich noch alle drei Wochen mit meinen Freunden im versehrten Kegelklub in Schöppenstedt.
Übrigens, da fällt mir ein, so spaßig war das manchmal aber auch alles nicht. Ich kann mich noch gut an unseren Vorturner Rabe, vom damaligen Pressstoffwerk, erinnern, der hat mit Wilhelm Blume zusammen nach dem Kriege unsere Turngruppe geleitet. Da mussten wir aber stramm stehen, da durfte nicht gelacht werden. Der Wilhelm Blume war ein ganz schön harter Hund. Wir haben jeden Tag geturnt. Bis 13 Jahre als Kindergruppe und von 14-18 Jahren als Jugendgruppe.

TSV: Also gab es damals Zuckerbrot und Peitsche?

Dierker: Na ja, so schlimm war es nun auch wieder nicht. Mir sind die schönen Erlebnisse in Erinnerung geblieben, z.B. habe ich den Wilhelm mal in einem Wettkampf besiegt, als es darum ging mit Wurfringen auf Zahlen zu werfen, da hat er nicht schlecht gestaunt! Wir haben dann auch Volkstänze aufgeführt, das war so die Zeit als der Schlager „Oh, Donna Klara“ aufkam, ich war wohl so ca. 15 Jahre damals. Um 1934 oder 1936 war ich in Breslau bei einem großen Turnfest dabei.

TSV: Das merkt man Ihnen bis heute an, Sie sind immer noch eine Frohnatur!

Dierker: Ja, in früheren Jahren habe ich oft folgenden Spruch gemacht: „Entblättere mich, ich bin der Herbst und hab‘ auch noch schöne Tage!“ Weil ich am zum Herbstanfang Geburtstag habe.

TSV: Und heute halten Sie sich beim Seniorenturnen fit?

Dierker: Nicht nur beim Seniorenturnen. Das leitet übrigens schon lange Jahre Dorit Gödecke, die ich noch als kleines Mädchen kenne, wie sie mit ihren langen Zöpfen auf der Wolfenbütteler Straße immer Rad geschlagen hat. Seit letztem Jahr gehe ich auch zum Chi Gong bei Frau Wiegand, das macht auch sehr viel Spaß und hält mich fit. Man muss sich ja auch immer beschäftigen, sonst rostet man ein. Ich habe ja in meinem Leben auch einiges zu verkraften gehabt. Mit meinem Mann Herbert habe ich fünf Kinder. Leider sind zwei davon schon gestorben. Ja, und mein Herbert, mit dem habe ich im September 1990 noch die diamantene Hochzeit gefeiert und dann ist er einen Monat später im Oktober verstorben.

TSV: In so einem bewegten Leben muss man sicher auch mit Schicksalsschlägen klar kommen. Die meisten Menschen kommen aber auch gar nicht erst dahin, wo Sie jetzt sind. Von daher freue ich mich, dass Sie so aus dem Herzen plaudern und noch voller Aktivitäten sind.

Dierker: Ja mein Junge, dass darf ich doch sagen, oder? Das ist wirklich wichtig, dass man sich immer nach vorne orientiert und positiv gestimmt ist. So wie ich hier in meinen Garten schaue und mich an der Natur erfreue, das gehört auch alles zum guten Leben. Übrigens habe ich davon gehört, dass Sie beruflich nach Magdeburg gehen und dorthin umziehen werden, stimmt das?

Majewski: Ja, das ist wahr und deswegen müssen wir leider auch einen neuen TSV-Vorsitzenden suchen.

Dierker: Aber denken Sie dran, wir haben früher immer gesagt: "In Machteburch is‘ achte durch!"

TSV: Na mal sehen wie es wird. Vielen Dank für das freundliche Gespräch und alles Gute für Ihr weiteres Leben. Vielleicht sehen wir uns ja zum 100. Geburtstag wieder.

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